4. Dezember 2025

Zwischen Buchseiten und Bildschirmlicht

Camille Rutherford überzeugt in Laura Pianis Regiedebüt »Jane Austen und das Chaos in meinem Leben« als leicht verstolperte Buchhändlerin
Zwischen Buchseiten und Bildschirmlicht

Es gibt Filme, die leise beginnen und diesen ruhigen Ton unangestrengt durchhalten. Laura Pianis Film gehört zu diesen raren Exemplaren. Sie verzichtet auf grelle Romantik und große Gesten, zeigt stattdessen Menschen, die in ihrer eigenen Unordnung leben, als wäre sie der natürliche Aggregatzustand der Zuneigung. Agathe, gespielt von Camille Rutherford, arbeitet in einer Pariser Buchhandlung, träumt zwischen verstaubten Klassikerausgaben von einem Leben als Schriftstellerin, kommt aber über erste Seitenfragmente nie hinaus. Die Welt von Jane Austen ist ihr Fluchtpunkt und ihr Maßstab – nur ist das echte Leben eben selten so elegant gebaut wie ein Roman.

Ihr Freund Félix (Pablo Pauly), ein unverbesserlicher Optimist mit leicht schiefem Grinsen, reicht heimlich einen ihrer Romananfänge bei einem Wettbewerb ein. Agathe wird zu einem Schreibaufenthalt nach England eingeladen, wo sie Oliver (Charlie Anson), einen Jane-Austen-Nachfahren trifft. Was nach einer typischen Rom-Com-Konstellation klingt, entwickelt sich bei Piani zu einem Film über Menschen, die sich nicht besonders fotogen, aber erkennbar menschlich ineinander verheddern. Das verleiht der Geschichte trotz aller Genre-Konstellationen eine angenehme Glaubwürdigkeit. Laura Piani vertraut auf leise Töne und kleine Verschiebungen. Die Kamera verweilt, statt zu hetzen. Das Chaos, von dem der Titel spricht, liegt nicht in großen Missverständnissen, sondern in den Zwischentönen – in den Momenten, in denen Menschen reden, um zu vermeiden, was sie eigentlich sagen wollen. Auffällig ist das sehr präzise Kostümbild, das Kleidung kongenial als erzählerisches Mittel nutzt und dem Film eine stille Intensität verleiht. Agathes leicht knittrige Blusen, ihre Kapuzenmäntel, die schmalen Hosen –  jedes Kleidungsstück verrät etwas über sie: über ihre Verkopftheit, ihre Unentschiedenheit, das Bedürfnis, gleichzeitig gesehen und in Ruhe gelassen zu werden. Es ist, als würde sie in Schichten denken und sich in Stoff wickeln, um das Denken zu ordnen.

Schön beiläufig erzählt ist auch die Verbindung von Literatur und digitalem Leben. Agathe liest Austen stets in gebundenen Ausgaben, lebt ihre Verunsicherung aber über Messenger. Das Handy wird hier nicht als Störfaktor gezeigt, sondern als Fortsetzung der Briefe, die Austen-Figuren einst schrieben. Die kleinen blauen Häkchen, das Warten auf eine Antwort, der Moment, in dem jemand online ist – Piani betrachtet das mit Sanftmut, ohne moralischen Unterton. Rutherford spielt die Balance zwischen literarischer Innerlichkeit und moderner Nervosität mit großer Genauigkeit. In ihrer Mimik liegt eine zögerliche Wachheit, die den Film trägt. Pauly bringt Wärme und Leichtigkeit, ohne zum Sidekick zu verkommen, und Anson findet die richtige Mischung aus Reserviertheit und Verunsicherung. Dass der Film auf große Überraschungen verzichtet, schadet ihm nicht. Sein Reiz liegt gerade darin, dass er nichts erzwingen will.

»Jane Austen und das Chaos in meinem Leben« ist ein Film, der seine Figuren ernst nimmt, ohne sie zu erklären, humorvoll, zärtlich, ohne Zuckerguss. Man merkt, dass Piani ihre Figuren liebt, nicht weil sie besonders sind, sondern weil sie es nicht sind. Es ist ein Film über die kleinen Verlegenheiten, aus denen Nähe entsteht – über das unaufgeräumte Leben, das sich besser anfühlt als jedes perfekte Drehbuch.

Grit Dora